Einsetzen der Sozialhilfe (§ 5 BSHG)

Hier stehen nützliche Informationen zu allgemeinen Fragen (Schwerpunkte) der Sozialhilfe und Armut.

Moderator: Ekelteam

Einsetzen der Sozialhilfe (§ 5 BSHG)

Neuer Beitragvon Moderator » Montag 21. Juni 2004, 23:09

Bedeutung der Regelung

Sozialhilfe kann im Einzelfall nur dann voll wirksam werden, wenn sie unverzüglich einsetzt und vorhandenen Notständen auch ohne förmlichen Antrag zu begegnen versucht. Auch dadurch unterscheidet sie sich von den Leistungen der Versicherung und Versorgung.

§ 5 dient vor allem dazu zu vermeiden, daß - obwohl einem Träger der Sozialhilfe oder einer Gemeinde Hilfebedürftigkeit in einem konkreten Fall bekannt ist - die Leistung von Hilfe zur Behebung der Notlage deshalb unterbleibt, weil der Hilfebedürftige von der Möglichkeit der Hilfegewährung nichts weiß (und sie infolgedessen nicht beantragen kann) oder sich schämt, Hilfe in Anspruch zu nehmen, oder sein Begehren bei einer unzuständigen Stelle vorgebracht hat.

§ 5 steht mit dem Grundsatz in Verbindung, daß Sozialhilfe für die Vergangenheit nicht zu gewähren sei. Die Sozialhilfe dient dazu, wie das BVerwG festgestellt hat, eine gegenwärtige Notlage zu beheben, wobei "Gegenwart" den Zeitpunkt des Bekanntwerdens der Notlage ggf. durch Antragstellung des Hilfesuchenden bei dem Träger der Sozialhilfe bedeutet.

§ 5 regelt nur, wann Sozialhilfe einsetzt, schreibt aber nicht einmal entstandenen Bedarf als fortbestehend fest. Mit Rücksicht auf § 5 BSHG und auf diesen Grundsatz kann nach Auffassung des BVerwG eine Verjährung von Ansprüchen auf Sozialhilfe begrifflich nicht gegeben sein.

Gesetzliche Änderungen

Durch das Gesetz zur Reform des Sozialhilferechts vom 23. Juli 1996 (BGB1. I 3a S. 1088) wurde Abs. 2 neu eingefügt. Die Vorschrift war im Regierungsentwurf nicht enthalten. Sie wurde in den Ausschußberatungen aufgrund eines Vorschlags der Regierungsfraktionen in das Gesetz unverändert übernommen. Die Begründung (Bundestag - Gesundheitsausschuß - 336) nimmt einerseits auf die neue Rechtsprechung des BVerwG Bezug und verweist andererseits darauf, daß die geltende Parallelregelung § 16 SGB I bislang im Sozialhilferecht weitgehend keine Anwendung fand. Dadurch sei es in Einzelfällen zu Leistungsverzögerungen gekommen, die nicht gerechtfertigt seien.


Die Pflicht zum Tätigwerden besteht für den Träger der Sozialhilfe auch dann, wenn er bei Durchführung von Aufgaben außerhalb des Sozialhilferechts von einem zusätzlich auftretenden Bedarf erfährt. Er kann sein Eintreten als Sozialhilfeträger nicht allein unter Hinweis darauf ablehnen, daß er im Vollzug einer anderen Aufgabe tätig werde (BVerwG 90 für den Fall des Vollzugs einer strafgerichtlichen Entscheidung).
Das Eingreifen des Trägers kann auch durch die Mitteilung eines Verbandes der freien Wohlfahrtspflege ausgelöst werden (so für das Wunsch- und Wahlrecht nach § 3 Abs. 2 auch BVerwG 81).

Keine Sozialhilfe gegen den Willen des Hilfeberechtigten

Gegen seinen Willen kann die Hilfe einem an sich Hilfeberechtigten grundsätzlich nicht aufgezwungen werden. Vgl. hierzu und zur Frage der Anstaltsunterbringung gegen den Willen des Hilfebedürftigen § 4 Rz. 22-24.

Umfang der Ermittlungspflichten und Mitwirkung des Hilfesuchenden

Zum Umfang der Ermittlungspflichten des Sozialhilfeträgers und zur Mitwirkung des Hilfesuchenden vgl. § 4 Rz. 20.

Mitwirkungspflichten kreisangehöriger Gemeinden

Die Landesausführungsgesetze zum BSHG sehen über die Regelung in § 5 Abs. 2 hinaus überwiegend schon bisher die Verpflichtung kreisangehöriger Gemeinden vor, Anträge auf Sozialhilfe unverzüglich dem zuständigen Träger der Sozialhilfe weiterzuleiten. Außerdem werden die kreisangehörigen Gemeinden und die örtlichen Träger (bei sachlicher Zuständigkeit des überörtlichen Trägers) in Eilfällen zum vorläufigen Eingreifen verpflichtet; die örtlichen Träger darüber hinaus auch bei ungeklärter sachlicher Zuständigkeit. Vgl. hierzu im einzelnen § 96 Rz. 25 ff, 41 ff.

Inhaltliche Abgrenzung der Regelung
Trotz des etwas engen Wortlauts des § 5 Abs. l ist davon auszugehen, daß der Träger der Sozialhilfe schon dann zu Ermittlungen von Amts wegen verpflichtet ist, wenn er von einer Notlage erfährt, die voraussichtlich Leistungen der Sozialhilfe erfordern wird (so wohl auch die zentrale Spruchstelle für Fürsorgestreitigkeiten 184). Dies wird nun durch die Fassung des Abs. 2 ausdrücklich bestätigt ("ergeben sich daraus die Voraussetzungen für die Gewährung ..."). Dazu gehört auch, daß eine beantragte Hilfeleistung ggf. in eigener Kompetenz abgeklärt wird bzw. der Hilfesuchende über die Voraussetzungen für die Notwendigkeit eines ärztlichen Urteils (im Rahmen der vorbeugenden Gesundheitshilfe nach § 36) aufgeklärt wird und auf dessen Erstellung erforderlichenfalls von Amts wegen hinzuwirken. Die Hilfebedürftigkeit des Hilfesuchenden ist also bereits dann bekannt geworden, wenn für die Gewährung der Hilfe noch eine weitere Aufklärung des Sachverhalts und Auskünfte, z. B. zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen sowie zum Versicherungsschutz, erforderlich sind; § 5 Abs. l verdeutlicht in erster Linie nur, daß Sozialhilfe von einem Antrag des Hilfesuchenden unabhängig und die Kenntnis der Träger von ihren Voraussetzungen anspruchsbegründend ist (ZSpr. 447).
Ein Träger der Sozialhilfe darf sich dabei nicht mit den im Sozialhilfeantrag enthaltenen Angaben zufriedengeben, wenn er aufgrund seiner besonderen Sachkunde erkennen konnte, daß weitere Aufklärung geboten ist (ZSpr. 560). Die Sozialhilfe setzt nach § 5 allerdings noch nicht ein, wenn ein künftiger Hilfebedarf zwar voraussehbar ist, aber zur Zeit noch nicht vorliegt (ZSpr. 215). Es kann dabei nicht Aufgabe des § 5 sein, den Hilfesuchenden von zumutbaren Aktivitäten zu entlasten. Spricht daher ein Hilfesuchender vor einem Umzug bei dem künftig örtlich zuständigen Sozialhilfeträger vor, um diesen von dem bevorstehenden Ortswechsel zu unterrichten und um sich zu vergewissern, ob dieser nach dem Umzug mit Hilfe eintreten werde, und wird ihm anheimgestellt, zu gegebener Zeit mit den notwendigen Unterlagen Sozialhilfe zu beantragen, so begründet dies noch keine Kenntnis vom Vorliegen der Voraussetzungen für eine Hilfegewährung (Hamb. OVG, FEVS 41, 321). Eine Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder Hilfe Dritter, die vor dem Zeitpunkt des § 5 stattgefunden hat, schließt den Sozialhilfeanspruch aus.
Bei einer nach dem Zeitpunkt des § 5 stattfindenden Bedarfsdeckung im Wege der Selbsthilfe oder durch Hilfe Dritter bleibt der Wegfall des Bedarfs vor der Entscheidung des Sozialhilfeträgers nur dann unberücksichtigt, wenn es dem Hilfesuchenden nicht zuzumuten war, diese Entscheidung abzuwarten.
Eine nach dem Zeitpunkt des § 5 einsetzende, bedarfsdeckende Hilfe wirkt anspruchsvernichtend, wenn der Dritte die Hilfe endgültig, d. h. als "verlorenen Zuschuß" (z. B. durch Schenkung), leistet; die Hilfe eines Dritten schließt den Sozialhilfeanspruch dagegen nicht aus, wenn der Dritte vorläufig - gleichsam anstelle des Sozialhilfeträgers und unter dem Vorbehalt des Erstattungsverlangens - leistet, weil der Träger der Sozialhilfe nicht rechtzeitig geholfen oder die Hilfe abgelehnt hat.
Bei der einzelfallabhängigen Beurteilung, welche Zeitspanne dem Hilfesuchenden zuzumuten ist, ist von dessen Obliegenheit auszugehen, die Hilfeleistung rechtzeitig zu beantragen bzw. von seiner Hilfebedürftigkeit Kenntnis zu geben, damit die Hilfe vom Träger der Sozialhilfe rechtzeitig gewährt werden kann; eine sofortige Hilfeleistung kann nur in Eilfällen erwartet werden.

Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (hier: Regelsatzleistungen) richtet sich auf einen Bedarf, der seiner Art nach in aller Regel unaufschiebbar ist. Überläßt der Sozialhilfeträger es dem Hilfesuchenden, für seinen unaufschiebbaren Lebensunterhalt zwischen Eingang und Bescheidung des Sozialhilfeantrags selbst aufzukommen, so kann er dem Hilfesuchenden später nicht anspruchsvernichtend entgegenhalten, daß dieser seine Notlage überbrückt und die Bedarfsmittel vorläufig selbst beschafft oder von Dritten erhalten hat (BVerwG). Ist der ständige Pflegebedarf dem Träger der Sozialhilfe bekannt, darf dem Hilfesuchenden nicht anspruchsvernichtend entgegengehalten werden, daß er aus Gründen seines Urlaubs die Pflegekraft gewechselt und die Kosten in Höhe des strittigen Betrags beglichen hat, ohne dem Sozialhilfeträger den Wechsel der Pflegekraft vorab mitgeteilt zu haben (BVerwG). Zu Leistungen nach dem Tod des Hilfesuchenden/Hilfeempfängers vgl. § 4 Rz. 39, 40 Schellhorn.
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